
Schon beim Aufstehen fühlte ich mich verwirrt: kein weiteres Pilgern (obwohl mir doch noch die Beine weh tun)? Kein weiteres Vorbereiten der nächsten Etappe? Keine Vorbereitung der Tagesverpflegung? Keine Absprache mit Johanne, wo wir uns am Nachmittag wieder treffen?
Von unserem Wohnmobilstellplatz können wir die berühmte VIA FRANCÈS beobachten: pro Minute (!!!) ziehen etwa zwei Dutzend Peregrinos an uns vorbei!!! Ich selbst hatte während der gesamten 7 1/2 Wochen gerade mal mit 14 anderen Pilgern Kontakt!
SANTIAGO DE COMPOSTELA leidet unter dem Pilgerboom: 1970 kamen etwa drei Dutzend Pilger hierher, nach den Papstbesuchen waren es schon über 5.000 pro Jahr. Nach den Büchern des brasilianischen Bestsellereautors Paulo Coelho, nach Filmen wie „Ich bin dann mal weg“ (Hape Kerkeling), „Dein Weg„, „Pilgern auf Französisch„, „Die Dienstagsfrauen auf dem Jakobsweg“ u.a. schnellten die Zahlen hoch bis über 400.000 pro Jahr. Hinzu sollen etwa 5 Millionen Tagestouristen kommen, – mit Bussen, von Kreuzfahrtschiffen. SANTIAGO hat etwa 96.000 Einwohner!
Zum Glück haben wir noch die Vorsaison. Bereits eine Stunde vor Beginn der Pilgermesse haben wir uns Plätze in der Kathedrale gesucht, das Grab des Apostels besucht:


Die Messe war – besonders für mich als Ex-Katholiken – sehr beeindruckend: vom Erzbischof geleitet, der wiederum von über einem Dutzend Priester begleitet wurde. Der BOTAFUMEIRO, das 100 kg schwere Weihrauchfass kommt leider nur an Freitagen und kirchlichen Feiertagen zum Einsatz (als Kind habe ich schon immer Weihrauch gehasst).
Eine wundersame Begegnung in der Kirche: in einem der Priester erkannte ich – ohne Zweifel – den ersten Pilger wieder, den ich auf meinem Camino kurz hinter SEVILLA getroffen hatte. Ein Deutscher, und er wirkte damals schon auf mich irgendwie „pastoral„. Leider konnte ich ihn in der Kathedrale nicht mehr ansprechen.